Verletzlichkeit im medizinischen Dialog
7. Oktober 2025
Am Symposium 2025 unseres Kooperationspartners Privatklinik Hohenegg zeigten Ruedi Schweizer, ärztlicher Leiter vom Zentrum für psychische Gesundheit, gemeinsam mit Anke Reitter, leitende Ärztin an unserer Frauenklinik, und Eliane Schmid, leitende Psychologin Hohenegg, wie Geburt und Krise Momente tiefer Verletzlichkeit eröffnen.
Die Geburt steht als kritisches Lebensereignis exemplarisch für eine Phase ausgeprägter Verletzlichkeit. Sie ist Übergangskrise im ursprünglichen Sinn von «Krise als Wendepunkt, Entscheidung oder Trennung». Daniel Stern und Nadja Bruschweiler-Stern nennen den dadurch entstehenden Möglichkeitsraum eine «Werkstatt der Eltern-Kind-Interaktion», in der neue Wege des Umgangs mit sich selbst und anderen erprobt werden können.
Verletzlichkeit beginnt jedoch früher – beim Kinderwunsch und während der Schwangerschaft. Tritt in diesen Phasen Unerwartetes auf, etwa ein pathologischer Befund, eine komplikationsreiche Geburt oder gar ein Kindsverlust, wird die Resilienz der Eltern maximal gefordert. Dann sind sorgfältige Kommunikation, echtes empathisches Eingehen und das Verstehen des Narrativs der Mutter und des Paares zentral. Dazu gehört, Bedürfnisse und Vorstellungen ernst zu nehmen, Optionen gemeinsam abzuwägen und die Zusammenarbeit im interprofessionellen Team abzustimmen. Gerade bei ethisch komplexen Fragen wird so biopsychosoziale Medizin greifbar.
Professionelle geraten zugleich in die Rolle, Vorstellungen von einer unbeschwerten Schwangerschaft oder einer Wunschgeburt zu zerstören – und wirken dadurch selbst verletzend. Damit werden sie unweigerlich mit eigener Verletzlichkeit konfrontiert. Diese betrifft nicht nur das Familiensystem, sondern auch das Helfersystem: Ein Spätabort, eine schwierige Geburt oder ein Kindstod lösen beim Team Reaktionen aus, teils mit anhaltender Belastung.
Das Bewusstsein, dass auch Behandelnde verwundbar sind, hat zugenommen, sollte aber stärker verankert werden. Auf höherer Ebene stellt sich die Frage, inwieweit das Konzept der «resilienten Organisation» mit der Akzeptanz der Verletzlichkeit all jener verbunden werden muss, die in ihr arbeiten oder behandelt werden.
Zum Vortrag
Fachpersonen
Dr. med. Ruedi Schweizer
Ärztlicher Leiter, Zentrum für psychische Gesundheit
Zentrum für psychische Gesundheit
Privatklinik Hohenegg | Spital Zollikerberg
Trichtenhauserstrasse 12
8125 Zollikerberg
PD Dr. med. Anke Reitter
Leitende Ärztin, Frauenklinik
Spital Zollikerberg
Frauenklinik
Trichtenhauserstrasse 20
8125 Zollikerberg
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