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Gesundheitswelt

«Ethik muss sich immer im Alltag bewähren.»

5. August 2025

Seit über 20 Jahren gibt es das stiftungsweite Ethik-Forum in der Gesundheitswelt Zollikerberg. Am 1. Juli trafen sich die aktuellen Mitglieder zu dessen 200. Sitzung. 

Aus diesem Anlass spricht Sté Haltiner mit den beiden Co-Leitenden: Kathrin Hillewerth, Co-Klinikleiterin Chirurgie am Spital Zollikerberg, und Jean-Daniel Strub, Leiter des Instituts Neumünster.

Worum geht es beim Ethik-Forum überhaupt?

Um Fragen, bei denen man auch nach Jahren Berufserfahrung nicht locker sagen kann: «So macht man das halt.» Zum Beispiel: Was bedeutet Selbstbestimmung für Menschen allgemein und insbesondere für Menschen mit kognitiven Einschränkungen wirklich? Wie gehen wir um mit dem Erfragen und Dokumentieren von Reanimationsentscheidungen in den Stiftungsbetrieben? Und wie sprechen wir über Sterbewünsche, ohne vorschnell zu bewerten?

Warum brauchen wir so ein Forum?

Weil ethische Fragen der medizinischen und pflegerischen Praxis einen Ort brauchen, an dem sie in Ruhe, interprofessionell und interdisziplinär sowie unter Berücksichtigung aller organisationalen Perspektiven durchbesprochen, beleuchtet und gemeinsam reflektiert werden können. Viele Bereiche, in denen sich diese Frage stellen, sind – zum Glück – nicht explizit rechtlich reguliert. Es gibt womöglich medizinethische Richtlinien oder übergeordnete Standards, aber letztlich ist es in der Verantwortung der Institutionen selbst, festzulegen, wie sie die Themen konkret handhaben, welche Weisungen sie erlassen und welche Hilfestellungen es für die Fachpersonen gibt. Diese Fragen werden in unserer Stiftung im Ethik-Forum besprochen. 

Wer arbeitet im Ethik-Forum mit?

Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen: Pflegende, Ärztinnen und Ärzte, die Seelsorge, eine Kollegin des Zentrums für psychische Gesundheit, aber auch die Verantwortlichen des Geschäftsfelds «Leben und Wohnen im Alter» sowie wir beide als Ethik-Fachpersonen. Bei besonderen Fragestellungen ziehen wir Fachpersonen aus den relevanten Bereichen als Gäste bei. Das Ethik-Forum ist kein elitäres Gremium, sondern ein Ort für Zweifel, Erfahrung und den Mut, auch mal die eigene Haltung zu hinterfragen.

Was macht unser Forum besonders?

Unser Ethik-Forum unterscheidet sich nicht wesentlich von sogenannten Ethikstrukturen, die andere Gesundheitsorganisationen kennen. Wir sind im Vergleich vielleicht etwas praxisnäher aufgestellt und es ist ein riesiger Vorteil, dass Kolleg:innen aus so vielen Praxisfeldern sich die Zeit nehmen können, an sieben Sitzungen pro Jahr mitzuwirken. So gelingt es, die Ethik in die Praxis zu holen und Fragen anzugehen wie: Wie viel Nähe ist professionell? Wann wird Fürsorge zu Bevormundung? Und was, wenn Werte kollidieren, etwa Lebensschutz und Autonomie? Auch Fragen, die sich aus der steigenden Lebenserwartung ergeben, kommen zur Sprache: Wie gestalten wir ein langes Leben, das nicht nur dauert, sondern auch Sinn hat? Wie tragen wir der Selbstbestimmung auch in sensiblen Grenzsituationen Rechnung – ohne die Mitarbeitenden Belastungen auszusetzen, die sich nicht mit ihren Werten vereinbaren können? Gerade für Mitarbeitende ist es wichtig zu wissen, wohin sie sich mit ethischen Fragestellungen im Alltag wenden können – und dass sie die Möglichkeit nutzen lernen, ethische Fallbesprechungen als Reflexionsraum einzuberufen. Klar ist: Ethik muss sich letztlich immer im Alltag bewähren. Und dafür braucht es die Mitsprache aller wichtigen Bereiche.

Kennt man das Ethik-Forum auch ausserhalb?

Ja. in den Betrieben der Gesundheitswelt Zollikerberg führen wir regelmässige ethische Fallbesprechungen auf den Stationen durch und bieten Weiterbildungen zu ethischen Fragen an. Ausserhalb sind wir ebenfalls mit Fallbesprechungen, Referaten und Weiterbildungen zu ethischen Themen präsent. Auch beteiligen wir uns aktiv am vor kurzem ins Leben gerufenen regelmässigen Austausch der Ethikverantwortlichen der Zürcher Spitäler. 

Letzte Frage: Was bringt es, die eigene Haltung zu hinterfragen?

Gegenfrage: Kann es gute Medizin und gute Pflege geben, bei der wir das nicht tun? Haltungen können und müssen sich entwickeln. Ethik ist immer Teil der gesamten Gesellschaft, und viele Fragen – jetzt etwa im Umgang mit Künstlicher Intelligenz – stellen sich ja erst aufgrund neuer technologischer Möglichkeiten auf neue Art. An der eigenen Haltung zu arbeiten und andere Sichtweisen einzubeziehen ist deshalb unerlässlich. Und es gewährleistet einen ganzheitlichen Zugang zugunsten unserer Patient:innen, Bewohner:innen und Mitarbeitenden.

Aus Anlass der 200. Sitzung des Ethik-Forums der Gesundheitswelt Zollikerberg findet am Dienstag, 26. August 2025, 12.30 – 13.15 Uhr, ein «Lunch & Learn spezial» in der Jurte statt, an dem Themen und Bedeutung der Ethik in der Gesundheitswelt Zollikerberg mit Mitgliedern des Ethik-Forums diskutiert werden können. Sie sind herzlich eingeladen.

Co-Leitung

Portraitfoto

Dr. Jean-Daniel Strub

Leiter Institut Neumünster

Portraitfoto

Kathrin Hillewerth

Klinikleitung Klinik für Chirurgie, Spitalleitung

Spital Zollikerberg
Klinik für Chirurgie
Trichtenhauserstrasse 20
8125 Zollikerberg

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